DRadio Kultur, 29. Juli 2015

Ein griechischer Volksheld

Zum 90. Geburtstag von Mikis Theodorakis: ein Musikfeature
Mikis Theodorakis 1970 in Moskau  (Archiv RIA Novosti)
Mikis Theodorakis 1970 in Moskau (Archiv RIA Novosti)

Der große griechische Komponist und politische Künstler Mikis Theodorakis wurde am 29. Juli 90 Jahre alt. Als „Themenabend Musik“ war dem Jubilar ein knapp anderthalbstündiges Feature gewidmet.

Sein Vorname gefällt ihm nicht. Eigentlich sollte er Michalis (oder gerufen Michalakis) heißen. Als er klein war, warb aber ein Onkel für einen mehr europäisch bzw. amerikanisch klingenden Namen, der gegebene Name sei doch grob bäurisch/plebejisch. Dieser Onkel, Andonis hieß er, schlug als Alternative Mikis vor. Dem so Umbenannten aber gefiel der Name (des Erzengels) Michail, auf den sich Mikis Theodorakis in seiner dreibändigen Autobiographie „Die Wege des Erzengels“ bezieht, aus der in diesem Musikfeature durch die Stimme von Matthias Ponnier ausführlich erzählt wird. Mikis/Michalis, so Autor Georg Beck, muss einen Pakt mit seinem Schutzengel geschlossen haben: Bei diesem Leben mit schon als Jugendlicher und auch später erlittenen Folterungen. Er hatte von klein auf eine Ikone des Erzengels, die immer unter seinem Kopfkissen liegen musste und die ihn, so seine Überzeugung, beschützte.

Der Komponist Theodorakis ist weltweit vor allem durch einen „Hit“ bekannt – „Sorbas’ Tanz“ aus der Filmmusik zu „Alexis Sorbas“, ebenfalls ein Welterfolg. Jedoch gibt es da noch ein umfangreiches Liedschaffen, außerdem ein Oeuvre klassischer Werke, das in der Tradition europäischer Kunstmusik steht: Sinfonien, Opern und Oratorien („Canto General“), Kammermusik. 
In einer O-Ton-Einspielung in diesem Feature sagt Theodorakis, die deutsche Musik habe die bedeutendste Rolle für ihn als Komponisten gespielt. Daran änderte auch die brutale deutsche Besatzungszeit im Zweiten Weltkrieg nichts, während der auch der junge Musiker Folteropfer wurde. Er unterschied zwischen dem Deutschland Goethes und Beethovens einerseits und dem der Gestapo andererseits. Theodorakis erlebte den unauflöslichen Widerspruch im Verhalten der Besatzungssoldaten – diese Mischung aus Brutalität und Sentimentalität: Als die Deutschen einmal seinen Ausweis kontrollierten, änderten sie ihr Verhalten, als sie die Berufsbezeichnung „Komponist“ sahen. Die deutschen Soldaten waren auch zu drei Vierteln Besucher von Konzerten in Athen und waren freundlich zur Familie Theodorakis, wo zwei deutsche Offiziere einquartiert waren. Doch nach dem Verlassen des Hauses „wurden sie zu anderen Menschen“. Während des Bürgerkrieges in Folge des Zweiten Weltkrieges „ging das Foltern in eine neue Runde“, Theodorakis wurde auf die Insel Makronisos, ein Konzentrations-/„Umerziehungslager“ verbannt, wo ihm die Folterer das Bein brachen.

Politischer Komponist

Der Bürgerkrieg wirkte lange nach. Für die Zeit seiner Rückkehr vom Musikstudium aus Paris 1960 spricht Theodorakis laut der Autobiographie von „geistiger, kultureller, politischer Nacht“. Konzerte waren politisch, und so sah auch der Komponist seine Aufgabe. Ein Beispiel dafür ist „Epitaphios“, ein Liederzyklus nach Gedichten von Giannis Ritsos, in den Worten Theodorakis’ „der Beginn einer neuen Epoche in der Geschichte der griechischen Musik“. Eine weitere wegweisende Vertonung von Gedichten Ritsos’ war „Romiosini“ (Griechentum). 
Die Liste der von Theodorakis vertonten Lyriker ist lang. Dabei ging er bewusst eine Verbindung von Musik und Dichtung ein, das Lied wurde in seinen Worten wieder zu einer Waffe dank seines Textes. „Es geht immer um das Thema der Freiheit in unserer Dichtung, unseren Märchen und Liedern.“ Theodorakis wurde als politischer Künstler vom Publikum, das überwältigt war, angenommen. Gerade weil Griechenland so viel Fremdherrschaft in seiner Geschichte kannte, bedeuten die Lieder so viel. Sie sind Ausdruck von Widerstand und Freiheitswillen.

Die Politik hat Theodorakis nie losgelassen. 1967, als die Militärdiktatur errichtet wird, ruft er als erster zum Widerstand auf und wird erneut verhaftet. Seine Musik wird verboten. Theodorakis’ Bedeutung und seine ungebrochene Popularität bis zur Gegenwart drücken sich beispielsweise in einem „Antrittsbesuch“ des frisch gewählten Ministerpräsidenten Alexis Tsipras in der Athener Wohnung des Komponisten aus.

„Schreib, damit der Tag anbricht!“

Ein Feature über den Menschen, Bürger und Komponisten Mikis Theodorakis

Von Georg Beck
Sprecher: Matthias Ponnier, Frauke Poolman, Jean Paul Baeck
Regie: der Autor

DRadio Kultur, Reihe: Themenabend Musik
29. Juli 2015, 20.03 Uhr, 87 min.