Der E-Commerce boomt, und die Nachfrage nach Paketfahrdiensten wächst. Eine Branche, der es gut geht, könnte man meinen. Das aber ist mitnichten der Fall.
In der Sendung äußern sich unter anderem zwei Paketfahr-Subunternehmer – einer von beiden ist aus der Branche inzwischen ausgestiegen –, ein Vertreter eines Zusammenschlusses von Fahrer-Subunternehmern und ein Rumäne ohne Deutschkenntnisse, der für kurze Zeit in Deutschland Pakete auslieferte.
„Manfred W.“ (Name für die Sendung geändert) liefert Medikamente aus – als Sub-Subunternehmer, was bedeutet, dass sein Auftraggeber wiederum Auftragnehmer einer großen Firma des Transportwesens ist, deren Namenszug Manfreds Lieferwagen ziert. Die Weitergabe von Aufträgen an kleinere Firmen ist in der Paketfahrerbranche üblich, das Subunternehmertum ist teilweise vielstufig. Manfred sagt, es sei unmöglich, die zeitlichen Vorgaben beim Ausliefern zu erfüllen. Die Vergütung erfolgt ausschließlich nach Tourenplan anhand eines Navigationssystems, das den tatsächlichen Verkehrsfluss nicht berücksichtige.
Das Geld, sagt Manfred, reiche nicht aus: „Ich zahl mir selber, wenn ich alle Stunden berechne, so zwischen drei Euro und 3 Euro 50 aus. Nicht mehr.“ Sämtliche „Verspätungen“ in einem Monat zusammengerechnet bedeuteten für ihn, 400 Euro im Monat nicht bezahlt zu bekommen. Sein Auftraggeber lässt sich nur vordergründig darauf ein, dass Touren neu berechnet werden müssten, das Problem, so Manfred, „wird immer weiter auf die lange Bank geschoben“. Seit 2013 arbeitet er zu schlechteren Konditionen, die er annehmen musste.
In der gesamten Branche funktioniert das Prinzip von Angebot und Nachfrage – dass bei starker Nachfrage die Anbieter sich gute Bedingungen erhandeln können – offenbar nicht.
„Oliver G.“ (auch er heißt anders) hat gut 20 Jahre als Transportunternehmer gearbeitet, das endete in der Pleite und mit übrigbleibenden Schulden. Für ihn veränderten sich die Bedingungen in den Nuller Jahren, als er vom Subunternehmer der Logistik-Firma „Trans-o-flex“ zu deren Sub-Subunternehmer wurde. Zum Problem wurde, dass fast sämtliche seiner Aufträge über den „Trans-o-flex“-Subunternehmer kamen. Dass Subunternehmer vertraglich oder faktisch exklusiv an einen Auftraggeber gebunden werden, ist ein gängiges Muster in der Branche. Als die finanzielle Schieflage für Oliver da war, war es unter anderem wegen Finanzierungsverträgen für die Autos gar nicht so einfach auszusteigen. Und Oliver haftete mit seinem Privatvermögen. Als angestellter Fahrer zu arbeiten, hätte ihm keinen größeren Verdienst gebracht. Er erlebte, angefangen bei der Kündigung durch seinen Auftraggeber, eine Kette von Katastrophen bis hin zur fristlosen Kündigung seines Kontos. Ein Neuanfang „bei Minus“.
Warum aber ist es für die Fahrer faktisch ausgeschlossen, sich bei wachsender Nachfrage bessere Bedingungen zu erhandeln? Andreas Schumann vom Bundesverband der Kurier-Express-Paketdienste (BdKEP), einem Zusammenschluss von Subunternehmern der großen Logistik-Konzerne, spricht von einem „Kräfteungleichgewicht“ in der Branche. „Das Problem in diesen Situationen ist, dass gut ausgebildete Verhandler von Großunternehmen auf kleinste und mittlere Unternehmer treffen, die in ihrer Verhandlungstaktik nicht so weit ausgebildet sind wie die großen Unternehmen und deshalb in diesen Verhandlungen häufig den Kürzeren ziehen.“ Andreas Schumann appelliert an die Subunternehmer, sich zu organisieren: „Die kleinen Unternehmer sind in dem Moment schwach, wenn sie sich vereinzeln lassen, wenn sie sich gerade eben nicht im Verband organisieren, wenn sie alleine versuchen, solche Konditionen auszuhandeln.“ Fahrer, die in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sind, seien aufgrunddessen aber gerade nicht bereit, „sich verbandsmäßig zu organisieren.“ Dies ist auch am BdKEP ablesbar, in dem nur etwa ein Prozent der Firmen Mitglied ist.
Fahrer, die kein deutsch sprechen, erleben es, komplett abgelinkt zu werden: Der Rumäne Marinel Urse glaubte angestellt zu sein, unterschrieb aber in Wirklichkeit eine Beteiligung an einer Kurierfirma, arbeitete bis zu 13 Stunden am Tag, bekam dafür 100 Euro pro Woche und ein Zweibettzimmer, das er sich mit einem Kollegen teilte. Marinel hatte nach sechs Wochen genug und ging. Ein Beispiel für das „Ende der Kette“, an dem häufig ein scheinselbstständiger Fahrer stehe, „der zu sehr schlechten Bedingungen arbeiten muss“, so Szabolcs Sepsi von der EU-weiten Initiative „Faire Mobilität“.
Fazit: Der boomende E-Commerce bewirkt zwar, dass die Umsätze pro Beschäftigtem in der Paketbranche steigen. Die Zuwächse landen aber offensichtlich, so Autor Drescher, „bei den Konzernen, Subunternehmer und Lieferfahrer gehen oft leer aus.“
Zitate in diesem Text nach dem Sendungs-Manuskript.