Die Justizvollzugsanstalt München-Giesing, nach der Straße, in der sie sich befindet, Stadelheim genannt, ist eines der größten Gefängnisse in Deutschland. Die Frauen- (und Jugend-) JVA liegt im 2009 eröffneten Neubau, der 160 Insassinnen aufnehmen kann.
„Man wird von Anfang an kommandiert!“, ist der erste Eindruck der eintreffenden Journalistin, die hier ihre Strafe absitzen wird. Verurteilt wurde sie wegen der angeblichen Beleidigung einer Frau als „Scheißweib“. Zeugen oder Beweise habe es nicht gegeben. Statt der Zahlung eines Bußgelds oder Ableistung von gemeinnütziger Arbeit entschied sich die Verurteilte, 20 Tage ins Gefängnis zu gehen.
Mit den eigenen Regeln einer Strafanstalt wird sie von Anfang an konfrontiert. Von dem Mitgebrachten ist fast gar nichts erlaubt: keine eigene Haarbürste, keine Zahnseide… Von Ringbüchern müssen die Metallringe abgeknipst werden.
Nackt ausziehen, Kleidung abgeben, im Frotteebademantel zum Duschen. „Überall diese verschlossenen Stahltüren. Man sagt mir nicht, wie es weitergeht, wie es überhaupt geht. … Nach jeder Bitte, jedem Hinweis, jeder Anmerkung heißt es fortan mit drohendem Unterton: ,Wir sind hier kein Vier-Sterne-Hotel!‘“
Entschieden werden muss zwischen einer Einzel- oder einer Viererzelle, die Autorin entscheidet sich für Gesellschaft: in einer etwa vier mal sechs Meter großen Zelle mit zwei Stockbetten. Die – natürlich vergitterten – Zellenfenster sind immerhin 1,60 Meter hoch, lassen Licht ein und ermöglichen einen Blick nach draußen.
Zum Tagesablauf gehört Wecken um 6 Uhr, eine Stunde Hofgang am Vormittag, Mittagessen ab 11 Uhr. Vor dem Aufschluss am Nachmittag werden Abendbrot und Frühstück für den nächsten Tag bereits an der Zellentür ausgegeben. Der 75 Minuten dauernde Aufschluss bedeutet, sich auf dem Flur bewegen und in die Nachbarzellen gehen zu können. Von 15.30 Uhr (Ende Aufschluss) bis zum nächsten Vormittag 10 Uhr (Hofgang) sind die Gefangenen eingeschlossen. Arbeit gibt es kaum und gilt als Privileg.
Zu viert in einer Gefängniszelle bedeutet natürlich auch zwischenmenschlicher Stress: Fernsehen ohne Kopfhörer, Schnarchen, sind die Fenster in der Nacht offen oder geschlossen, die Vorhänge zugezogen oder nicht? Dazu ständige Neubelegung der Zelle. Nicht alle Mitinsassinnen sind da immer umgänglich, eine Hassattacke nichts Außergewöhnliches. In der Einzelzelle gut 20 Stunden täglich zu verbringen, lässt sich wohl aber kaum besser aushalten. Die Autorin nimmt Gelegenheiten wahr, an Kursen teilzunehmen, um aus der Zelle herauszukommen – dazu gehören Yoga, Meditation oder Tanz. Für die Kursteilnahme ist Wohlverhalten Voraussetzung. „Ich bewundere die Kursleiter, wie sie mit den aufgeladenen Gefangenen umgehen und […] weil sie sie ,normal‘, einfach mit Respekt, als Menschen behandeln. So könnte Resozialisierung aussehen.“
Einer Promi-Gefangenen geht es gut
Die Autorin zählt während ihres Hofgangs weibliche Häftlinge aus fast 20 Nationen. Dabei auch schwere Fälle wie Mord und Totschlag. Und eine Prominente, der nicht nur Mitgefangene nachlaufen: Beate Zschäpe, die als Angeklagte im NSU-Prozess seit Frühjahr 2013 in der JVA München einsitzt. „Sie ist die Königin. Sie ist die Chefin. Viele Frauen liegen ihr zu Füßen.“ Die sportliche Zschäpe spiele immer Volleyball mit und zeige „ein völlig aufgesetztes Verhalten […] Mitgefangene erzählen, dass es auch beim Wachpersonal Frauen gibt, die ihr […] ,in den Arsch kriechen‘. […] Sie hat die Leute im Griff.“ Charlotte Paul sieht, wie nett Zschäpe zu Ausländerinnen ist, oder „wie sie im Hof immer von einem Pulk von Mitgefangenen umgeben ist, der oft wie ein Kordon aus Bodyguards wirkt. […] Frau Zschäpe geht’s gut!“
Guckt euch die Gefängnisse an in einem Land …
Ein Fazit der Kurzzeitinsassin? „Über meinem Schreibtisch hängt ‘ne Notiz, ein Zitat von Tolstoi. Guckt euch die Gefängnisse an in einem Land, in einem Staat, und ihr wisst, wie der Staat mit seinen Bürgern umgeht. Ich kann nur sagen, dieser Staat geht schlecht mit seinen Bürgern um. […] Gehören Willkür und die tägliche Prise Sadismus auch zur ,Bestrafung‘?“
Anmerkung der Sendungsmoderatorin: „Die Namen der meisten Personen in dieser Sendung sind Pseudonyme“.